Es ist schon immer wieder überdeutlich: So viele Menschen möchten anderen Menschen helfen, weil sie es gut meinen. Doch das „gut meinen“ ist nicht mal immer dann „gut“ im Sinne des Gegenübers, dem man helfen möchte, wenn das Gegenüber um Hilfe bittet. In diesem Blogpost möchte ich dazu beitragen, dass jeder die angebotene Hilfe bewußter prüft, bevor er sie annimmt.
Helfen ist untrennbar verbunden mit (Be)Werten
Menschen möchten verbessern und dieser Impuls klingt erst mal gut. Doch das „besser“ basiert selten auf einer sachlich-nüchtern Analyse und einem neuen sachlichen Ziel, sondern bereits in der Feststellung der Ist-Situation spielen genauso Werte und Bewertung mit hinein, wie in der Wahl der Vorgehensweise und der Festlegung des Ziels. Objektivität ist folglich zwischen Menschen, die anderen Menschen helfen gar nicht möglich.
Ist beim Helfen Objektivität hinderlich?
Aber wenn es um Hilfe auch, um emotionale Unterstützung geht, wäre Objektivität nicht unbedingt die Lösung. Die Frage, wie sehr muss jemand den anderen auch Emotional „verstehen“, um wirklich helfen zu können? Letztlich ist die Frage, ob man ein kurzfristiges, schnelles Ergebnis haben will, das so aussieht, wie eine Hilfe. Oder es eine langfristig, akzeptierte, belastbare Lösung ist, die folglich auch umgesetzt werden kann.
Ohne Distanz kann man nicht erfolgreich helfen?
Wer nicht die Distanz wahrt, wird keine Hilfe leisten können, da man faktisch im gleichen Teufelskreis landet, wie der, der Hilfe benötigt. Aber ebenso muss man es als gegeben betrachten, dass es viele Situationen gibt, in denen nur das wahre Einfühlen zu Verstehen und damit zu echten akzeptierten Lösungen führt. Wer also alles mit seinen Werten und Zielen überlagert, egal wie gut es gemeint ist, wird letztlich keine Hilfe leisten können.
Der Unterschied zwischen Sympathie, Mitgefühl und Empathie
Viele setzen die Begriffe Sympathie, Mitgefühl und Empathie gleich. Manche verwechseln sogar Liebe mit diesen Begriffen. Dabei gibt es einen wesentlichen Unterschied:
- Sympathie ist schlecht fühlen, wenn man andere leiden sieht und vielleicht sogar einmal Schlechtfühlen ausdrücken (wie zum Beispiel zu Weihnachten einmal spenden oder jemanden Hinterbliebenen zur Beerdigung eine Karte schreiben). Es wird oft mit Mitgefühl verwechselt, weil es wahrnimmt, dass der andere sich nicht gut fühlt, aber eben nur kurz und nicht tief oder wirklich aktiv wird. Der Unterschied zu Mitgefühl ist also die Dauer beziehungsweise die Tiefe und vor allem auch: Das nicht vorhandene „schlechte Gewissen“. Man akzeptiert die Situation so wie sie und damit auch, dass man sie nicht ändern und sich nicht einbringen kann. Aber: Man ignoriert die Situation nicht, sondern nimmt sie wahr und leistet einen kleinen Beitrag zum Trost oder zur Linderung und drückt sein Bedauern aus. Das ist in einer schnelllebigen Welt der Sachlichkeit und des Ich-bezugs ein erster wichtiger Schritt.
- Mitgefühl ist schon mehr, es ist sich wirklich kümmern – aktiv „mitfühlen“, die Trauer, das Leid, die Schmerzen begleiten, Mitweinen, in den Arm nehmen, konstant da sein, auch wenn das Gegenüber verzweifelt ist oder Schmerzen hat, aber man nichts tun kann. Mitleid haben heißt, genau das, was das Wort ausdrückt: Selbst mitleiden, sich selbst zurückstellen, da sein und begleiten und mit-ertragen. Das ist schwer und deshalb ist andauerndes Mitgefühl selten. Da viele im Mitgefühl die Situation mit-akzeptieren und in der Gegenwart verharren, kann das Mitgefühl auch selbstzerstörend für den Helfer wirken. Die Flucht kann hier eine Form des Selbstschutzes desjenigen sein, der vorher mitgefühlt hat, was für Beobachter – besonders wenn sie nur Sympathie empfinden – schwer versteh- und nachvollziehbar ist.
- Echte Empathie (= Einfühlung) ist eine Stufe weiter, weil sie Mitgefühl mit Handlungen kombiniert. Sie ist das gemeinsame Lösungen Suchen und Finden. Es ist das Verstehen und das Unvermeidliche akzeptieren, aber vorwärtsschauen und gemeinsam das Verbessern, was man verbessern kann. Das kann das Abnehmen von Leid sein, ein Erarbeiten und Begleiten bei der Lösungsfindung aus der Problemsituation und der Begleitung beim Weg aus der Misere. Es ist die richtige Mischung finden – die Hilfe zur Selbsthilfe, auch das Involvieren von anderen Helfern – aber immer im Sinne des jenigen, der Hilfe braucht.
Ist Missionieren und Bevormunden schlecht?
Eine Mission ist eine Aufgabe – eine Mission zu haben, also die Umsetzung einer Idee oder Vorstellung bzw. die Erklärung für ein Handeln. Missionieren hat aber für viele einen negativen Beigeschmack: Hier schwingt mit, dass es gegen die Interessen des zu Missionierenden geschieht. Deshalb verpacken manche ihre Mission in Hilfe oder missverstehen sie sogar als Hilfe. Von außen gesehen sieht kann diese Mission tatsächlich aktive Hilfe als Ziel haben. Menschen in Notsituationen sind oft in ihren Entscheidungen eingeschränkt – ein Helfer muss sie manches Mal schnell dort herausholen, besonders wenn es um Leben, Gesundheit und Krisensituationen geht. Für Diskutieren und „Einfühlen“ ist hier nicht immer Zeit. „Missionieren und Bevormunden“ ist also nicht immer schlecht – wenn es Experten wie Ärzte, die Leben retten, machen. Negativ wirkt es, wenn allerdings die Interessen des Gegenübers nicht ausreichend berücksichtigt werden und die Mission oder Eigeninteressen stärker sind.
Das große Problem: Helfer-Syndrom und Geltungsbedürftigkeit
Zurück zur Bewertung – es geht also in dem Erkennen einer Notsituation sowie in der Lösungsfindung immer um Bewertung. Je nach Selbstbewusstsein und Ausprägung des Geltungsbedürfnisses kann aber in allen vier Formen kein emotionales Engagement, Sympathie, Mitgefühl oder Empathie auch zu Extremen mit negativen Auswirkungen für den Helfer und für denjenigen, der Hilfe erhält, kommen.
Als Hilfe verkleidetes Missionieren kann auch ohne jedes emotionale Engagement passieren, wie die Glaubenskriege oft zeigen, Sympathie, Mitgefühl und Empathie können zu Helfer-Syndromen und in der Konsequenz zu Depression oder anderen seelischen Krankheiten der Helfer führen.
Fazit:
„Hilfe“ ist eine missbrauchte, begriffliche Stopfgans. Zwar kann man nicht pauschalieren, dass jede Hilfe ohne emotionale Beteilung besser oder schlechter ist. Mein Erleben ist, dass gerade Menschen mit nur geringer oder ohne Einfühlung besonders gern und oft von Hilfe sprechen, in Vereinen auftauchen oder ihre politischen oder wirtschaftlichen Deklarationen in „Hilfe“ verpacken, aber im Grunde nur ihre persönlichen Interessen ohne Widerstand durchsetzen wollen. Wenn es folglich kein Schwarz-Weiß in der Hilfe gibt, sollte jeder vorsichtig werden und überlegen, ob er diese Hilfe annimmt, wenn ein anderer sagt: Ich helfe dir. Selbst dann, wenn man diese Person um Hilfe gebeten hat. Wo Hilfe drauf steht, ist also nicht immer Hilfe drin.